DER UNTERE HARDTHOF

Historisches

Von 1890 bis 1924 war die Brauerei Textor, ab 1892 als Brauerei Bichler, mit ihren großzügigen Anlagen ein Freizeittreffpunkt der Gießener Bürger und auch der Besucher aus der Umgebung. Textor war ehemals eine der großen Brauereien Hessens. Eine ausgedehnte Terrasse, ehemalige Jugendherberge, eine große Radrennbahn mit Tribüne, ein Kinderspielplatz mit vielen Turn- und Spielgeräten und Tennisplätze boten vielerlei attraktive Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Auf der Radrennbahn wurden internationale Rennen gefahren. Viele interessante Ausstellungen wurden auf „Bichlers Hardt“ gezeigt und vor allem das seinerzeit wegen seines Blickes auf die Stadt sehr beliebte Ausflugslokal „Textors Terrassen“ wurde viel besucht. Nach dem Tod Textors baute Georg Bichler die Brauerei aus. Unter seiner Regie entstanden die bis heute signifikanten Bauten wie die Mälzerei, die Aufbauten auf den Eiskellern und das turmartige Sudhaus, die noch heute das Bild des Unteren Hardthofs prägen. Freilich überstand die Brauerei die Krisenjahre nach dem 1. Weltkrieg nicht: 1924 übernahm die Stadt Gießen die Anlage und verpachtete sie an die Universität als Versuchsgut, und im folgenden halben Jahrhundert verfielen die nur teilgenutzten Gebäude allmählich bis Anfang der 70er Jahre – im Zuge der Planung des neuen Krankenhauses auf der Hardthöhe – ein Abbruch der ehemaligen Brauereigebäude erwogen wurde. Doch schaffte es eine 1976 entstandene „Interessengemeinschaft Unterer Hardthof“, ein Zusammenschluss von Künstlern und Kulturschaffenden, Stück für Stück des Komplexes von der Stadt in Erbpacht zu übernehmen und für ihre Zwecke auszubauen. Schließlich wurde das komplette Ensemble als Kulturdenkmal eingestuft. Besonders eindrucksvoll sind die auch auf größere Entfernung sichtbaren zweifarbigen, stark gegliederten Klinkerfassaden, die Rundbogen und Zinnenmotive, aber auch die unterirdischen Brauereianlagen, die Kopfsteinpflasterung und der alte Baumbestand. Heute Der Untere Hardthof ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich in altem, seinerzeit ungenutzten Gemäuer, modernes Wohnen und Arbeiten verwirklichen lässt. Die Bewohner haben die Denkmalpflege als Herausforderung begriffen, und heute können zahlreiche phantasievolle Nutzungsideen bestaunt werden, die sich in dieser Form nur im spannungsreichen Umfeld einer alten Industriebrache entwickeln konnten.